L’eremo

Sie wanderten weiter, der Pfad stieg stetig an. Ihre Schritte waren langsam, bedächtig. Sie hatten sich an einen gemeinsamen Rhythmus angepasst, ohne ein Wort zu wechseln. Hoch in der Luft flog ein Adler, fast regungslos, als würde er am Himmel kleben. Die Stille um sie herum wurde dichter, dumpf, beinahe absolut. Nur manchmal wurde sie durch das Kreischen eines Vogels unterbrochen, ein schneidendes Geräusch, scharf und einsam.

Der Weg führte sie tiefer in den Eichenwald. Es roch nach Moos und kalter Erde. Ihre Füße setzten sie, einen Schritt nach dem anderen, ohne Eile. Der Boden unter ihnen war mit frostigem Laub bedeckt.

Nach einer guten Stunde kamen sie an eine Straße und kurz danach erreichten sie ein Steinportal mit einem verschlossenen Tor aus dunklem Metall. Auf einer Holztafel las Leora die Aufschrift „Eremo di San Francesco“.

Roberto blieb stehen, blickte kurz auf das Tor, dann schwang er sich über die hüfthohe Mauer, die direkt an einer steilen Böschung lag.

– Vieni, sagte er.

Sie kletterte über die Mauer und sah die steile Böschung hinab. Dabei rutschte sie ab, konnte sich aber noch an einem Baum halten und zog sich langsam wieder nach oben. Ihre Knie waren feucht und mit Laub bedeckt. Ihre Arme zitterten leicht vor Anstrengung.

– Attenta, sagte Roberto, ohne sich umzusehen.

Der Weg war stellenweise vereist und die Kälte der glatten Steine stieg ihr an den Schienbeinen empor. Doch etwas an diesem Ort, die alten Eichen und das fahle Licht, das durch die dichten Äste drang, füllte sie mit einer seltsamen Ruhe, als sei sie hier in einer ganz anderen Welt.

Sie erreichten ein altes unbewohntes Kloster und durchquerten einen kleinen Innenhof. Ein Windstoß ließ ein paar Blätter auffliegen. Roberto ging zügig weiter.

– Das ist erst später entstanden, sagte er ein wenig abfällig. Sie ließen ein zweites Tor hinter sich und erreichten eine Grotte. Eine schmale Öffnung, die wie ein Tunnel in die Erde führte.

– La cellula di San Francesco, flüsterte Roberto und bekreuzigte sich.

Leora hatte Roberto noch nie in so einem andächtigen Zustand gesehen. Sein Gesicht war ernst, vielleicht sogar ehrfürchtig. Vorsichtig folgte sie ihm in die Höhle.

Die Luft wurde schneidend kalt. Leora zog ihre Jacke enger und fragte sich, wie irgendjemand an so einem Ort leben konnte.

Dann sah sie ihn.

Ein Mann lag in einer Vertiefung der Grotte, reglos wie eine Statue. Sein Gesicht halb im Schatten. War er tot? Leora schreckte zurück.

– Beppe?, rief Roberto erstaunt.

Er regte sich.

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